Christian war auf die 450 Euro zur Bezahlung seiner Miete dringend angewiesen. Das Geld also, das er als wissenschaftliche Hilfskraft (Hiwi) am Bamberger Centrum für Empirische Studien (Baces) monatlich bekommen hatte. Dort war der Politikstudent, der seinen Namen nicht vollständig nennen will, seit Februar 2017 beschäftigt. Der 26-Jährige habe dabei zwar Halbjahres-Projekte betreut. Dennoch habe er jedes Mal am Ende des Monats nicht gewusst, ob er darüber hinaus noch beschäftigt sein würde und somit seine Miete bezahlen könnte. Er habe des öfteren erst am letzten Tag eines Monats den neuen Vertrag unterschrieben.

Kurz vor Weihnachten habe der Student dann erfahren, dass er nicht mehr weiterbeschäftigt werden sollte - nach zehn Monaten. Christian bat um Verlängerung, was nach seiner Aussage nur widerwillig gewährt wurde. Er habe kaum eine Alternative gesehen: "Es ist extrem schwierig, einen Hiwi-Job zu bekommen, die Plätze sind begrenzt."

Christians Arbeitsverhältnis ist zwar inzwischen beendet. Dennoch klagt der 26-Jährige jetzt vor dem Arbeitsgericht Bamberg auf ein entfristetes Arbeitsverhältnis. Aus seiner Sicht hat die Befristung auf Monatsbasis keinen Bezug zu den Abläufen im Baces. "Es geht um ein Geschäftsmodell, der Kläger ist nicht der Einzige, der so beschäftigt ist", sagte der Kläger-Anwalt auf die Frage von Richter Holger Betz, was das Ziel des Klägers, also Christian, sei.


Welches Gesetz wird angewandt?

Entscheidend bei der Frage, ob die Befristungen in Ordnung waren, ist für das Arbeitsgericht, welche rechtliche Grundlage greift: So könnte das Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder aber das Teilzeit- und Befristungsgesetz Anwendung finden, was unterschiedliche Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Befristungen und Verlängerungen eines Vertrags hätte.

Aus Sicht der Universität Bamberg sind die Befristungen wirksam, da es sich um wissenschaftliche Tätigkeiten gehandelt habe. Das Baces sei ein wissenschaftliches Institut der Uni, um Professoren bei der Datenerhebung zu unterstützen. Das Institut ermöglicht laut eigener Homepage "die Durchführung von telefonischen, schriftlichen und webbasierten Erhebungen nach wissenschaftlichen Maßstäben". Dazu gehöre auch die Planung, Durchführung und Auswertung von empirischen Untersuchungen und kompetente Methodenberatung.

Christian, der im Büro des Instituts beschäftigt war, sagt, dass er mit wissenschaftlicher Arbeit nichts zu tun hatte. Andere Ex-Hiwis wie Katharina (29), die ausschließlich Umfragen durchgeführt haben, sehen das genauso: "Als Telefonistin habe ich nichts Wissenschaftliches gemacht." Mit der Konzeption und Auswertung von Studien habe sie nichts zu tun gehabt. "Wir haben vor allem Marktforschung für externe Auftraggeber gemacht." So seien Umfragen für einen Küchenhersteller aus China oder ein Energieunternehmen durchgeführt worden. Die Uni sagt dagegen, dass es sich beim Baces um kein Meinungsforschungsinstitut handle.


Entscheidung im September

Nachdem es bisher zu keiner Verständigung kam, hat Richter Betz nun die beiden Parteien aufgefordert, ihre Stellungnahmen abzugeben. Im September könnte die Entscheidung der Kammer fallen.

Der Gerichtsentscheid könnte Auswirkungen haben: Denn drei weitere ehemalige Hilfskräfte am Baces liegen wegen nicht angemessener Bezahlung im Streit mit der Uni. Bei fehlendem wissenschaftlichen Bezug der Hiwi-Arbeit müssten die Studenten wohl nach Tarif eingruppiert werden. Damit könnte ihnen einiges mehr als bisher zustehen. Sie pochen ohnehin auf eine Rückzahlung: Im vergangenen Jahr sollen die Hiwis mit Bachelor-Abschluss trotz Anspruchs auf zehn Euro nur neun Euro erhalten haben. Wie Katharina, die 240 Euro rückfordert.


Verdi: fatales Signal

"Es kann nicht sein, dass Studenten missbraucht werden als billige Arbeitskräfte", sagt Doris Stadelmeyer von Verdi. Sie hält die Vorgehensweise für besonders verwerflich, da es sich um den Freistaat Bayern als Arbeitgeber handle. Er setze hier ein fatales Signal an junge Leute, kurz vor ihrem Einstieg ins Arbeitsleben. Verdi fordert deshalb gesetzeskonforme Arbeitsbedingungen und transparentere Informationen über die Rechte der Hiwis. Ohnehin müsse die Befristungspraxis ein Ende haben. "Ohne die Hiwis würde die Uni still stehen", sagt der studentische Senator Vitus Mayr.
Die Uni beschäftigt 762 Hiwis (Stand: Dezember 2017), üblicherweise werden sie an Lehrstühlen für mindestens ein Semester (sechs Monate) angestellt.