"Ein schwarzer Vogel setzte sich auf die Brust des Mannes, der still auf den Stufen vor dem König-Ludwig-Denkmal im Bamberger Hain lag": Aufgebahrt zu Füßen Seiner Majestät, mit gefalteten Händen und zerfetztem Gesicht. Schaurig-schön beginnt der Franken-Krimi "Bamberger Verrat", der Leser mit auf eine mörderisch-spannende Zeitreise bis weit hinein in die deutsch-deutsche Vergangenheit nimmt. Unter die Haut geht die neueste Geschichte von Anna Degen alias Karin Dengler-Schreiber vor allem aber, weil sie mehr als nur Fiktion ist. So brachte eine wahre Begebenheit die Historikerin dazu, ihren zweiten Kriminalroman zu schreiben. Ein Grund, die "Wiederholungstäterin" zum Interview zu bitten.

Einen Blick hinter die Fassaden der feinen Bamberger Gesellschaft wagten Sie 2007 beim Mord im "Haus am Nonnengraben". Jetzt verwandeln Sie den Hain in einen Tatort: Woher kommt die kriminelle Energie einer Historikerin, die für ihren Einsatz ums Welterbe mehrfach auszeichnet wurde?
Karin Dengler-Schreiber: Ich habe viele Sachbücher geschrieben, wollte aber auch schon immer fiktional arbeiten. Statt mich gleich an einen historischen Roman zu wagen, begann ich 2007 mit einem Krimi, um auch dieses "Handwerk" zu lernen, weil ein Krimi einfacher ist, wie ich dachte. Ein gewaltiger Trugschluss!



Was machte Ihnen zu schaffen?
Die Herausforderung bestand darin, eine eigene Welt zu schaffen, die in sich stimmig ist - angefangen bei der zeitlichen Abfolge von Ereignissen bis hin zur Zeichnung der Charaktere. Sämtliche Protagonisten sind nach und nach in mir gewachsen. Dabei begannen die Figuren ein Eigenleben, wie ich es anfangs nie geahnt hätte. Da gehst du abends zu Bett und am nächsten Morgen haben sich die Romanfiguren weiterentwickelt.

Warum schicken Sie Hauptkommissar Sinz aber ausgerechnet in Bamberg auf Verbrecherjagd, als hätten Literaten hier nicht schon genug Mord und Totschlag angezettelt.
Ja, es gibt viele Regionalkrimis, manche lese ich selbst gerne. Spielt sich eine Geschichte in der eigenen Stadt ab, ergibt sich eben ein atmosphärisch viel dichteres Bild. Man genießt den Wiedererkennungswert. Davon mal abgesehen eignet sich Bamberg als "Tatort", weil unsere Stadt so lebendig und farbig ist, dass sie sich in Romanen gut verwerten lässt.

Vom Mord im Hain ausgehend, führt "Bamberger Verrat" zurück in die Zeit vor dem Mauerfall. Warum der Rückblick aufs Geschehen an der innerdeutschen Grenze?
Als Zuschauerin erlebte ich in Bamberg 1995 einen Gerichtsprozess, der mir sehr nahe ging. Ich erfuhr vom Schicksal eines DDR-Offiziers, der 1958 in den Westen geflohen war, um später seine Frau und seine neunjährige Tochter nachzuholen. Wozu es nicht kam, nachdem ein Freund den Mann verriet, der bei einem Schauprozess zum Tod verurteilt und im Sommer 1960 hingerichtet wurde. In Bamberg stand der Verräter nun nach der Wende wegen "Verschleppung, Freiheitsberaubung und versuchten Totschlags" vor Gericht. Und diese Geschichte war die Grundidee für mein Buch.

Neben dem tragischen Schicksal eines zunächst linientreuen Grenzers thematisieren Sie Zwangsaussiedlungen, die 1952 erstmals unter dem vielsagenden Titel "Aktion Ungeziefer" vorgenommen wurden. Wie lange recherchierten Sie für Ihren Roman?
Drei Jahre lang arbeitete ich an "Bamberger Verrat". Dabei nutzte ich als Quellen Akten der "Behörde für die Stasi-Unterlagen", einschlägige Literatur, Zeitungsarchive und das Internet. In leicht verfremdeter Form floss der Fall des abtrünnigen DDR-Offiziers in die Gegenwartshandlung des Romans ein - als Masterarbeit, mit der eine der Bamberger Protagonistinnen ihr Seniorenstudium abschließen möchte.

Warum schrieben Sie beide Bamberg-Krimis eigentlich unter dem Pseudonym Anna Degen statt unter eigenem Namen?
Das haben mich schon viele Leute gefragt. Dabei möchte ich nur vermeiden, dass Interessenten, die im Internet nach einem Sachbuch von Karin Dengler-Schreiber suchen, auf einen Krimi stoßen. Ich denke, zwischen Realität und Fiktion sollte es eine klare Trennlinie geben.

Inwieweit basieren die Figuren, die Lesern schon im "Haus am Nonnengraben" begegneten, auf real existierenden Bambergern?
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind bei meinen Charakteren tatsächlich rein zufällig. Interessant ist aber, wie viele Leser den den einen oder anderen schon wiederzuerkennen meinten.

Planen Sie nach "Bamberger Verrat" eine zweite Fortsetzung der Geschichte um Hanna Tal, Benno Berg und Hauptkommissar Sinz?
Nein. Nach zwei Krimis fühle ich mich bereit für meinen ersten historischen Roman. "Das Haus am Nonnengraben" war sozusagen meine Lehrlingsarbeit und "Bamberger Verrat" mein Gesellenstück, nach dem ich mich nun der nächstgrößeren Schwierigkeitsstufe widme. Zumal ich ein Buch schreiben möchte, das Leser nicht im Ungefähren lässt, sondern verdeutlicht, wo Fiktion beginnt und die historische Realität endet. Diese Unterscheidung habe ich selbst beim Schmökern in so manchem historischen Roman vermisst.

Am 11. März präsentieren Sie Bambergern den "Bamberger Verrat" bei Hübscher. Aufgeregt vor dem Testlauf?
Lesungen sind sehr spannend, weil das Publikum auf Texte reagiert, wie man's als Autor zuweilen nicht erwarten würde. Mal überraschen einen Lacher an bestimmten Stellen, dann wieder allzu ernste Mienen. Auf diese Weise lernt man das eigene Werk mit anderen Augen zu sehen.


Erste Lesung

Anna Degen alias Karin Dengler-Schreiber präsentiert ihren neuen Kriminalroman "Bamberger Verrat" erstmals am 11. März, ab 20 Uhr, bei Hübscher (Bamberg, Grüner Markt 16). Erschienen bei emons, ist der der Franken-Krimi im Handel unter ISBN 978-3-95451-250-8 erhältlich.