Der Putz bröckelt, der Lack blättert von den Fenstern, die Fassade braucht seit Jahren frische Farbe. Trostlos steht es da, anstatt eine leistungsfähige Stadtverwaltung eindrucksvoll zu symbolisieren. Derzeit macht das Gebäude, das viele Jahrhunderte unbeschadet überstand, einen ramponierten Eindruck - innen wie außen. Hintergrund: Gleich mehrere schwere Skandale erschüttern das Rathaus in Scheßlitz. Jahrelang konnten dort zwei Mitarbeiterinnen Gelder für sich abzweigen und sorgten so für einen Schaden von mehr als 114.000 Euro.

Im Standesamt und in der städtischen Kasse war es zu den Unterschlagungen gekommen. Nach dem Untreue-Prozess gegen Zapfendorfs Bürgermeister Matthias Schneiderbanger müssen sich nun erneut Richter um solche Vorfälle im Landkreis Bamberg kümmern und Recht sprechen.

Bei Routinekontrollen aufgefallen

Alles hatte in Scheßlitz mit einer Routine-Kontrolle im Jahr 2013 begonnen. Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband ließ sich damals die Abrechnungen und Bilanzen der Verwaltung vorlegen. Dabei fiel den Kontrolleuren das seltsame Verhalten der Standesbeamtin auf. Die Prüfer guckten noch genauer hin und stießen schließlich auf seltsame Buchungen. Die Beamtin habe im Zeitraum von September 2012 bis August 2013 unter anderem Gebühren, die bar von Bürgern beglichen worden waren, nicht bei der Stadt-Kasse eingezahlt, ergaben die Kontrollen. Dafür verschleierte die Standesbeamtin ihre Taten "äußerst professionell", wie es der derzeitige Bürgermeister der Stadt Scheßlitz, Roland Kauper (CSU), ausdrückt. Erst nachdem die Frau mit umfangreichen Vorwürfen von Seiten der Prüfer konfrontiert wurde, habe sie gestanden. Dienstrechtliche Schritte durch Kaupers Vorgänger Franz Zenk (CSU) gegen die Mitarbeiterin blieben trotz Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Polizei aus. Zwischenzeitlich arbeite sie nicht mehr für die Stadt.

Beide Fälle noch vor Gericht

Dafür muss sich die Beamtin Ende Juli vor dem Amtsgericht Bamberg verantworten. Gudrun Göller, Leiterin des Amtsgerichts, bestätigt dies auf Anfrage des Fränkischen Tags und erklärt weiter: "Der Angeklagten liegt Untreue in zehn tatmehrheitlichen Fällen zur Last. Sie soll in zehn Fällen den Gesamtbetrag von 12 045 Euro aus der Zahlstelle im Standesamt entnommen und für private Zwecke verwendet haben." Im Falle einer Verurteilung drohen der früheren Scheßlitzer Standesbeamtin bis zu fünf Jahre Haft.

Der zweite Fall von Untreue kam für die Stadt sogar noch teurer. Diese Tat kam im Zuge der vertieften Kontrollen des Prüfungsverbands nach den Ereignissen im Standesamt ans Licht. Die Mitarbeiterin in der Kasse geriet so in Verdacht. Hier fielen den Kassenprüfern diverse Fehlbuchungen und nicht vermerkte Barzahlungen auf. Alles sei aber nicht plump und dreist geschehen, sondern äußerst professionell - sodass es auch dem Prüfungsverband bei früheren Terminen nicht auffiel. Beträge zwischen 1000 und 10.000 Euro seien so zum Teil über einfache Kontoabhebungen aus den Kassen und Konten der Stadt Scheßlitz verschwunden. Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Untreue in 39 Fällen und insgesamt 102 000 Euro Schaden für die Kommune.

"Diese Gelder hat die Angeschuldigte für ihre eigenen Zwecke veruntreut", führt Staatsanwalt Christopher Rosenbusch aus. Anfang Mai wurde die städtische Angestellte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Doch gegen die Entscheidung des Amtsgerichts legte die 56-Jährige Berufung ein. Die Frau beteuert bis heute ihre Unschuld, andererseits habe sie gegenüber Bürgermeister Kauper in Gesprächen betont, dass sie den entstandenen Schaden wiedergutmachen wolle.

Bis zu einem neuen Prozess vor dem Landgericht und neuem Urteil bleibe sie sogar bei der Stadt Scheßlitz beschäftigt. Der Bürgermeister meint dazu: "Wir haben uns wegen einer angedachten fristlosen Kündigung einen Arbeitsrechts-Anwalt geholt, der uns riet, das Arbeitsverhältnis erst nach einem rechtskräftigen Urteil aufzulösen." Derzeit sei die Frau krankgeschrieben, sagt Kauper weiter. Zudem sei sie nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe an eine andere Position im Rathaus versetzt worden, an der sie nicht mit Geld zu tun habe.
Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen? Hat die Stadtverwaltung Scheßlitz ihre Mitarbeiter nicht im Griff? Ein Erklärungsversuch des Bürgermeisters: "Solche Vorfälle sind für uns eine Katastrophe - sowohl gegenüber der Bevölkerung als auch intern in der Verwaltung. Alle Taten stammen aber noch aus den Zeiten meines Vorgängers." Wie konnten die Frauen eigentlich so einfach an die öffentlichen Gelder kommen? Kauper vermutet, dass mangelnde Kontrollen und Personalknappheit daran schuld seien.

Stadtspitze reagiert

An normalen Tagen würden in der Kasse des Rathauses Scheßlitz im Schnitt zwischen 100 bis 400 Buchungen vorgenommen - während Quartalsabrechnungen seien es sogar mehrere Tausend. Da falle es schwer, den Überblick zu behalten, stellt Kauper fest. "Wir haben sofort die Abläufe umorganisiert. In der städtischen Kasse gibt es nun zwei Mitarbeiter, die dort nach dem Vier-Augen-Prinzip arbeiten, damit die Veruntreuung von städtischen Finanzen erschwert wird. Außerdem haben wir im Rathaus 16 statt 13 Mitarbeiter. Die Personaldecke war einfach zu dünn. Wir müssen schließlich 30 Stadtteile verwalten und organisieren", so Holger Dremel (CSU), 2. Bürgermeister von Scheßlitz.
Mithilfe dieser Maßnahmen wollen die Verantwortlichen die Lage in der öffentlichen Verwaltung wieder beruhigen. "Es war kein Wunder, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter dieser Situation litten. Jeder verdächtigte eine Zeit lang jeden und viele kamen auch mit Angst zur Arbeit", schildert Dremel mit angespannter Miene. Jetzt sehnen sich alle nach einem Schlussstrich in dieser Sache - dass die Prozesse vor Gericht bald abgeschlossen sein werden, wie alle beteuern. "Der Gemeinderat, mein Stellvertreter und ich wollen mit allen Vorgängen offensiv und transparent umgehen", verspricht Kauper. "Wir haben es hier mit den Taten von Menschen zu tun, die mit hoher krimineller Energie planvoll vorgegangen sind. In solchen Fällen ist es immer schwer, sich zu schützen", schildert der Bürgermeister.

Dritter Verdachtsfall unbestätigt

Es gab übrigens auch noch einen dritten Verdacht auf mögliche Untreue, der sich aber im Zuge der Ermittlungen nicht bestätigte. Demnach habe ein Rathaus-Mitarbeiter es versäumt, Herstellungsbeiträge für Baumaßnahmen bei Grundstücksbesitzern in Höhe von 6000 Euro einzutreiben. Hier konnte kein Vorsatz unterstellt werden. Wegen Arbeits-Überlastung seien die Gelder nicht eingefordert worden, erklärt der Bürgermeister.
Kauper und sein Stellvertreter blicken nun nach vorne, wollen sich so bald wie möglich wieder der politischen Tagesarbeit widmen.