Der Patienten- und Pflegebeauftragte der bayerischen Staatsregierung sieht die Pflege-Situation an einem Scheideweg. Ohne zusätzliches Personal in den Einrichtungen und zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen drohe der Chrash.Es sei eine "dramatische Lage im Land, was die Pflegesituation angeht". Das betonte der Patienten- und Pflegebeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Hermann Imhof, in einer Veranstaltung im Münnerstädter Haus "St. Michael".Er war in Wahlkampfzeiten nach Münnerstadt gekommen, um natürlich zu betonen, dass in Bayern dagegengesteuert wird, auch mit Hilfe des im April verabschiedeten Pflegepakets der bayerischen Staatsregierung. Die Verbesserungen werden nicht zum Nulltarif für die Bürger sein. Auch das kündigte er an. In der Diskussion war die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Situation in der Pflege ein Dauerthema.
Eine pflegende Angehörige schilderte ihre Erfahrungen mit der Pflegesituation in Krankenhäusern. Pflegebedürftige, die in eine Klinik kämen, träfen dort oftmals auf ein völlig überfordertes Personal. Patient und die Familie müssten nach einem Krankenhausaufenthalt mit den Pflegedefiziten aus der Klinik leben. Hermann Imhof sah in den Pflegedefiziten in Krankenhäusern keinen bösen Willen. Es liege an der schwachen Besetzung.
Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser müssten personell so aufgestellt sein, dass die Pflege wieder "zuwendungsorientiert" ist, meinte Imhof. Verbesserungen müsse es quantitativ und qualitativ geben, sonst gebe es einen Crash. Keine Dauerlösung sah er in der Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte. Viele dieser Länder, aus denen sie kommen, bräuchten dauerhaft selbst ihre Fachkräfte.
Doch Fachkräfte müssen erst gefunden werden. Die frühere Heimleiterin des Hauses Waldenfels in Bad Brückenau, Anni Misch, forderte eine Imagekampagne für diesen Beruf. Kaum ein anderer Beruf biete so gute Aufstiegsmöglichkeiten. Angelika Ochs, die Geschäftsführerin des Caritas Verbandes Rhön-Grabfeld, meinte, es müsse auch darum gehen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, beispielsweise durch flexiblere Arbeitszeiten für junge Mütter.
Kurt Brandenstein, vor seinem Ruhestand Geschäftsführer von Kreis-Seniorenheimen im Landkreis Main-Spessart, wünschte sich den allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für alle Einrichtungen, auch für private. Wer mit den Kassen einen Versorgungsvertrag aushandelt, müsse Tariflohn bezahlen.Die tarifliche Gleichstellung von Kranken- und Altenpflegern hält er ebenso für wichtig.
Was die einheitliche Ausbildungsvergütung angeht, meint Imhof, sieht er in Bayern gute Chancen auf eine baldige Lösung. Beim allgemeinverbindlichen Tarif "muss der Bund den Durchbruch schaffen", so der Pflegeexperte.


Geht es zu langsam?

"Geht das nicht alles zu langsam? fragte die Rannunger Quartiermanagerin Nathalie Lange. "Die Politik braucht und braucht", so ihre Kritik. Die Pflegekräfte müssten sich eine starke Lobby schaffen und mächtig auftreten, war die Empfehlung Imhofs. Die Langwierigkeit begründete der Pflegebeauftragte damit, dass die Tarifpartner gemeinsam eine Lösung finden müssen.
Landtagsabgeordneter Sandro Kirchner (CSU) fand in der Diskussion den Schwenk zurück zum Pflegepaket und meinte, dass tarifliche Bezahlung nicht alles sei. Er sprach über die geplante Stärkung der Wohnungsbaugenossenschaften, um bezahlbaren Wohnraum zu bieten. "In der Vergangenheit ist nicht alles ideal gelaufen".
Die Machtlosigkeit pflegender Angehörige gegenüber der Bürokratie war ein weiterer Diskussionspunkt. Monika Dürr von der Fachstelle für pflegende Angehörige in Münnerstadt: "Die Leute verstehen oft nicht, was sie ausfüllen müssen".Eine pflegende Angehörige erzählte, dass viele Betroffene mit der Beantragung des neuen Landespflegegeldes überfordert sind oder gar nicht wissen, dass es das gibt. Sie wünschte sich eine Vereinfachung. "Die Behördengänge sind das Schlimmste", bestätigte der Münnerstädter Hans Petsch.
Hermann Imhof glaubt, dass die Staatsregierung mit der Einführung eines Pflegestützpunktes in jedem Landkreis pflegenden Angehörigen eine Hilfestellung bei solchen Fragen bietet. Ab 2019 soll dieses Netz zusätzlich zu den bestehenden Fachstellen für pflegende Angehörige aufgebaut werden. Pflegende Angehörige sollen auch mit der Schaffung zusätzlicher 500 Kurzzeitpflegeplätze in Bayern entlastet werden. Wie viele Plätze davon im Landkreis Bad Kissingen entstehen werden, konnte Imhof noch nicht sagen.


Rendite mit der Pflege

Zum Ende der dreistündigen Veranstaltung kritisierte Kurt Brandenstein, dass private Pflegeeinrichtungen verstärkt als Renditeobjekt gebaut werden. Es könne nicht sein, dass Beteiligungen mit Renditen von fünf bis acht Prozent versprochen werden. "Da muss politisch eingegriffen werden."Die Kassen müssten künftig bei Pflegesatzverhandlungen genau hinschauen, dass in diesen Häusern die Fachkräftequote eingehalten wird, meinte Imhof. Allerdings gab er zu, dass die Politik "ein Stück weit ratlos ist", wie sie diese Entwicklung zügeln kann.