Es ist ein Glücksfall für ein kleines Haus wie das Kurtheater, wenn eine lebendige Bühne mit eigenem Ensemble und eigenen technischen Werkstätten wie das Theater Hof sich die Mühe macht, eine so große und komplexe Produktion wie Ödön von Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" nach Bad Kissingen zu schicken. Man konnte staunen, was alles auf die kleine Bühne passt, welch faszinierende Lösungen die Ausstatterin Carola Volles für die vielen Räumlichkeiten, kleine Läden in einer Wiener Gasse hinter Schiebetüren, überraschende Durchblicke zur Hinterbühne für einen Kirchenraum, einen Friedhof mit Kindergrab, ein Animierlokal, und für ein Gartenlokal zur Heurigensause auf der Vorderbühne gefunden hat. Die Typen des Wiener Kleinbürgertums von 1931 überformte sie mit künstlichen Hintern, Riesenbrüsten oder ausgestopften Bäuchen, Waden oder Muskelpaketen und machte so deutlich, dass Horváths Personal klischeehaft ist.
Trotz dieser wie Karikaturen wirkenden Figuren ermöglichte Regisseurin Judith Kuhnert durch genaue Personenregie aber auch tiefe Einblicke in die psychologische Tiefenstruktur von Horváths Personal, in die Nachkriegs-, Inflations-, Arbeitslosigkeitsverzweiflung dieser Menschen, gerade etwa durch das Ausspielen des grotesken Umschlagens der Heurigen-Gemütlichkeit in alkoholisierte Trostlosigkeit. Horváths scharfen Blick auf das Gefahrenpotenzial der Zeit durch alten und neuen Militarismus hebt Kuhnert beim Eklat zwischen dem alten Rittmeisters und dem nazibegeisterten reichsdeutschen Studenten (Marco Stickel als absurd stolzer alter K.u.k.-Rittmeister und Jörn Bregenzer als Erich, voll durchideologisierter Verkünder der heraufkommenden Nazizeit) hervor. Und nicht nur der amerikanische Tourist (naiv vergnügungssüchtig Ralf Hocke), sie alle ignorieren diese Kämpfe.
Sie sind damit beschäftigt, auf Mariannes Befreiungsschlag wie damals üblich zu reagieren: Mariannes Vater (überzeugend zwischen Härte und Sentimentalität schwankend Volker Ringe) wirft mit Unnachsichtigkeit und zäher Konsequenz fast bis zum Schluss seine Tochter aus dem Haus, als sie die Verlobung mit dem ihr vom Vater zugedachten wohlhabenden Metzgermeister Oskar (tapsig-ichbezogen und damit ständig ungewollt rücksichtslos Dominique Bals) platzen lässt. Sein grobschlächtiger Geselle Havlitschek (als dumpfer Körpermensch Peter Kampschulte) kann ihn dafür nur rügt ihn für seinen Liebeskummer, denn "die Weiber sind in den wesentlichen Punkten doch alle gleich." Wie eine Idel-Verkörperung eines solchen Männertraums kommt Valerie daher: großbusig und mit Monsterhintern. Anja Stange spielt die mit Bühnenpräsenz und differenziert ausgespielter komödiantischer Lust als die große Überlebenskünstlerin, allerdings auch einzige zu Mitgefühl Fähige. Als wohlhabende Witwe leistet sie es sich, die jungen mittellosen Männer wie Alfred und Erich an sich zu binden, mit ihnen zu spielen.
Sie steht damit im krassen Gegensatz zu den Frauen in Alfreds Familie: Seine rundum fettgepolsterte Mutter (Antje Hochholdinger), durchaus mitfühlend, aber völlig auf ihre passive Mutterrolle fixiert, und die sich durch ihre Gläubigkeit als Rächerin und Maß aller Dinge sicher fühlende Großmutter (Angelika Koopmann mit der eiskalten Besessenheit der "Engelmacherin"). Alfred (Oliver Hildebrandt) laviert aalglatt und geschickt zwischen ihnen und zeigt, dass er sein Talent im Umgang mit Frauen bei ihnen gelernt hat, die Mutter kann er um den Finger wickeln wie Marianne, die Großmutter muss er austricksen wie Valerie.
Marianne ist dem haltlosen Schnorrer, Schleimer und Schürzenjäger völlig ausgeliefert. Sie glaubt fatalerweise, gerade in ihm ein Mittel zu ihrer Befreiung vom tyrannischen Vater gefunden zu haben. Susanna Mucha machte die Tragik dieser naiven jungen Frau, die schwer für ihren Ausbruchsversuch zu zahlen hat, anrührend und überzeugend in ihrer Wandlung von der begeistert Verliebten zur verzweifelt um ihr Kind kämpfenden bis zur völlig resignierten jungen Frau deutlich. Die Wucht von Horváths berühmter Schlussvolte, dass für sie der Untergang in den Armen des früheren Verlobten endet, ist in der Hofer Inszenierung eindrucksvoll herausgearbeitet. Die fantasievolle Vielgestaltigkeit der Bilder (etwa Verlegung der Beichtstuhlszene in einen Kirchenraum wie bei Gretchen im "Faust") und das Changieren zwischen Klischee und Ausgestaltung der Rollen schaffen eine durchgängige Spannung auf den Ausgang. Und nicht zuletzt besorgte Raphael Tschernuth als musikalischer Gestalter dafür, dass der in Horváths Regieanweisungen immer wieder geforderte Einsatz der Wiener Stimmungsmusik und ihrer Bloßstellung als verlogenes Beschwichtigungsmittel gegen Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit sehr eindrucksvoll eingesetzt wurde.
So präsentierte die Hofer Truppe ein überaus dichtes, stimmiges Gesellschaftsdrama der Weimarer Zeit, indem sie die "Geschichten aus dem Wiener Wald" geschickt komprimierten und gleichzeitig die Kanten schärften, um das Drama der Marianne aus dem 8. Bezirk mit enormer Vielfalt der Tableaus und menschlicher Überzeugungskraft darzustellen. Das Publikum dankte dem Ensemble mit einigen Bravos und lang anhaltendem rhythmischem Applaus. Ein sehr passender Abschluss des 33. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen!
Trotz dieser wie Karikaturen wirkenden Figuren ermöglichte Regisseurin Judith Kuhnert durch genaue Personenregie aber auch tiefe Einblicke in die psychologische Tiefenstruktur von Horváths Personal, in die Nachkriegs-, Inflations-, Arbeitslosigkeitsverzweiflung dieser Menschen, gerade etwa durch das Ausspielen des grotesken Umschlagens der Heurigen-Gemütlichkeit in alkoholisierte Trostlosigkeit. Horváths scharfen Blick auf das Gefahrenpotenzial der Zeit durch alten und neuen Militarismus hebt Kuhnert beim Eklat zwischen dem alten Rittmeisters und dem nazibegeisterten reichsdeutschen Studenten (Marco Stickel als absurd stolzer alter K.u.k.-Rittmeister und Jörn Bregenzer als Erich, voll durchideologisierter Verkünder der heraufkommenden Nazizeit) hervor. Und nicht nur der amerikanische Tourist (naiv vergnügungssüchtig Ralf Hocke), sie alle ignorieren diese Kämpfe.
Sie sind damit beschäftigt, auf Mariannes Befreiungsschlag wie damals üblich zu reagieren: Mariannes Vater (überzeugend zwischen Härte und Sentimentalität schwankend Volker Ringe) wirft mit Unnachsichtigkeit und zäher Konsequenz fast bis zum Schluss seine Tochter aus dem Haus, als sie die Verlobung mit dem ihr vom Vater zugedachten wohlhabenden Metzgermeister Oskar (tapsig-ichbezogen und damit ständig ungewollt rücksichtslos Dominique Bals) platzen lässt. Sein grobschlächtiger Geselle Havlitschek (als dumpfer Körpermensch Peter Kampschulte) kann ihn dafür nur rügt ihn für seinen Liebeskummer, denn "die Weiber sind in den wesentlichen Punkten doch alle gleich." Wie eine Idel-Verkörperung eines solchen Männertraums kommt Valerie daher: großbusig und mit Monsterhintern. Anja Stange spielt die mit Bühnenpräsenz und differenziert ausgespielter komödiantischer Lust als die große Überlebenskünstlerin, allerdings auch einzige zu Mitgefühl Fähige. Als wohlhabende Witwe leistet sie es sich, die jungen mittellosen Männer wie Alfred und Erich an sich zu binden, mit ihnen zu spielen.
Sie steht damit im krassen Gegensatz zu den Frauen in Alfreds Familie: Seine rundum fettgepolsterte Mutter (Antje Hochholdinger), durchaus mitfühlend, aber völlig auf ihre passive Mutterrolle fixiert, und die sich durch ihre Gläubigkeit als Rächerin und Maß aller Dinge sicher fühlende Großmutter (Angelika Koopmann mit der eiskalten Besessenheit der "Engelmacherin"). Alfred (Oliver Hildebrandt) laviert aalglatt und geschickt zwischen ihnen und zeigt, dass er sein Talent im Umgang mit Frauen bei ihnen gelernt hat, die Mutter kann er um den Finger wickeln wie Marianne, die Großmutter muss er austricksen wie Valerie.
Marianne ist dem haltlosen Schnorrer, Schleimer und Schürzenjäger völlig ausgeliefert. Sie glaubt fatalerweise, gerade in ihm ein Mittel zu ihrer Befreiung vom tyrannischen Vater gefunden zu haben. Susanna Mucha machte die Tragik dieser naiven jungen Frau, die schwer für ihren Ausbruchsversuch zu zahlen hat, anrührend und überzeugend in ihrer Wandlung von der begeistert Verliebten zur verzweifelt um ihr Kind kämpfenden bis zur völlig resignierten jungen Frau deutlich. Die Wucht von Horváths berühmter Schlussvolte, dass für sie der Untergang in den Armen des früheren Verlobten endet, ist in der Hofer Inszenierung eindrucksvoll herausgearbeitet. Die fantasievolle Vielgestaltigkeit der Bilder (etwa Verlegung der Beichtstuhlszene in einen Kirchenraum wie bei Gretchen im "Faust") und das Changieren zwischen Klischee und Ausgestaltung der Rollen schaffen eine durchgängige Spannung auf den Ausgang. Und nicht zuletzt besorgte Raphael Tschernuth als musikalischer Gestalter dafür, dass der in Horváths Regieanweisungen immer wieder geforderte Einsatz der Wiener Stimmungsmusik und ihrer Bloßstellung als verlogenes Beschwichtigungsmittel gegen Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit sehr eindrucksvoll eingesetzt wurde.
So präsentierte die Hofer Truppe ein überaus dichtes, stimmiges Gesellschaftsdrama der Weimarer Zeit, indem sie die "Geschichten aus dem Wiener Wald" geschickt komprimierten und gleichzeitig die Kanten schärften, um das Drama der Marianne aus dem 8. Bezirk mit enormer Vielfalt der Tableaus und menschlicher Überzeugungskraft darzustellen. Das Publikum dankte dem Ensemble mit einigen Bravos und lang anhaltendem rhythmischem Applaus. Ein sehr passender Abschluss des 33. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen!