"Wichtig für mich war immer der zufriedene Kunde. Denn eine positive Mundpropaganda ist die beste Werbung für einen Handwerker." Für den Reiterswiesener Schreinermeister Gisbert Reuss war dies seit fünf Jahrzehnten immer die oberste Maxime in seinem Arbeitsleben. Auch anspruchsvolle Kunden waren von seiner meisterhaften Kreativität immer wieder begeistert.
Jetzt wurde ihm etwas verspätet eine außergewöhnliche Auszeichnung durch die Handwerkskammer von Unterfranken (HWK) zuteil. Werner Paltian, Obermeister der Schreinerinnung Bad Kissingen, überreichte ihm in seiner Funktion als Kreishandwerksmeister den Goldenen Meisterbrief nebst Ehrennadel der HWK.
Paltian hob in seiner Laudatio hervor: "Wir sind dankbar, dass wir in unserem Handwerk einen so guten Betrieb wie die Firma Rudolf Reuss haben, dessen Geschäftsführer Gisbert Reuss zusammen mit seinem Sohn Ralph ist." Positiv sei auch, dass die Reiterswiesener Schreinerei einer der wenigen Betriebe sei, welche noch Lehrlinge ausbildet.
Durch seinen Sohn wird gewährleistet, dass die Tradition der 1907 von seinem Großvater Max Reuss gegründeten Schreinerei fortgeführt wird. Dies sei nicht selbstverständlich. Denn im Bereich der Schreinerinnung Bad Kissingen gebe es einige Betriebe, in denen ein Generationswechsel anstehe und kein Nachfolger in Sicht sei, so der Kreishandwerksmeister.
Gisbert Reuss ist ein bescheidener Mensch, der ohne Allüren auf die fünf Jahrzehnte als Meister zurückblickt. Nach seinem Schulabschluss folgte von 1952 bis 1955 eine Schreinerlehre bei seinem Vater Rudolf Reuß, die er mit der Prüfungsnote "sehr gut" abschloss. Um über den Tellerrand hinauszuschauen, sammelte er Berufserfahrung in mehreren Betrieben und bei der Bundeswehr, bevor er nach erfolgreicher Meisterschule 1964 den Meistertitel erwarb. 1978 übergab ihm sein Vater die Schreinerei, die er nun alleine führte, bis 1994 sein Sohn Ralph in der vierten Generation das Heft langsam in die Hand nahm, um 1997 als Hauptgesellschafter in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

Vom Hobel zur CNC-Maschine

Die Mitarbeit im Betrieb macht Gisbert Reuss auch weiterhin sehr viel Spaß, auch wenn sich die Arbeitswelt in den letzten fünf Jahrzehnten gewaltig geändert habe. Von einem Handwerksbetrieb mit viel Handbetrieb zum hochwertigen Maschinenpark sei die Entwicklung gegangen. "Früher hat man mit einer einfachen Hobelmaschine gearbeitet, heute benutzt man dafür CNC-Maschinen. Vieles ist automatisiert. Jeder Lehrling oder Geselle muss mit dem Computer umgehen können, da alle Maschinen EDV-gestützt arbeiten", erläuterte Gisbert Reuss.
Auch das Material in der Schreinerei habe einen unglaublichen Wandel erlebt. Sei früher nur mit Massivholz gearbeitet worden, so kamen in den letzten Jahren Kunststoff, Edelstahl, manchmal auch Steine im Fertigungsprozess hinzu, so Reuss.
War man früher vielseitiger - vom Rohbau über Fenster bis hin zum Innenausbau, so habe man sich heute auf den Innenausbau spezialisiert. "Die Schreinerei ist individueller geworden. Jeder Schreiner weiß wo seine Stärke liegen und was mit seinen Maschinen machbar ist. Zu meines Vaters Zeiten haben wir auch Fenster gebaut, doch wer nicht die entsprechenden Maschinen hat, der kann mit der Konkurrenz nicht mehr mithalten", erklärt Gisbert Reuss.
Besonders stolz ist er auch, dass er in seinem mittelständischen Betrieb viele Lehrlinge aus Reiterswiesen und seiner Umgebung mit Erfolg ausbilden konnte. Somit sieht der 77-jährige seine Arbeit der letzen fünf Jahrzehnte belohnt und hofft, dass es ihm seine Gesundheit erlaubt, noch möglichst lange mit seinem Lieblingsmaterial - dem Holz - und seinen Kunden in Kontakt zu bleiben.