Das gibt es wirklich nicht alle Tage, und schon gar nicht im Kissinger Regentenbau: die Erstaufführung des Werkes eines Komponisten, der vor 122 Jahren gestorben ist. Nein, keine Ausgrabung eines bisher als verschollen geltenden und plötzlich wieder aufgetauchten Werkes. Anton Bruckners Streichquintett F-dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello, 1879 entstanden, war nie verschollen, wird immer wieder aufgeführt, wenn auch nicht allzu oft. Aber jetzt hat Gerd Schaller das Quintett für großes Orchester bearbeitet und im Rahmen seines Ebracher Musiksommers im Regentenbau aus der Taufe gehoben. Und da es eine Bearbeitung ist, kann man auch "nur" von Erstaufführung " reden. Die Uraufführung des Brucknerschen Werkes fand schließlich bereits am 8. Januar 1885 in Wien statt - halt nur mit fünf Streichern.
Natürlich war das ein Risiko, vor allem, wenn man wie Gerd Schaller nichts an dem Notentext wegnehmen oder hinzufügen will, sondern seriös bleiben will. Und das ist er geblieben. Natürlich ist ein kammermusikalisch ausgerichtetes Werk kleinteiliger, fast möchte man sagen zerrissener, als ein sinfonischer Satz, weil die Akteure in wesentlich engerem Kontakt zueinander sind und spontaner gestalten können. Aber andererseits hat es Schaller geschafft, diese Kleinteiligkeit mit einer phantasievollen Instrumentation so herauszustellen, dass ein Bild wie ein Puzzle entsteht: viele kleine Teile, die trotz aller Fugen ein abgerundetes Gesamtbild ergeben. Der Vorteil des Verfahrens: Durch die Vervielfachung der einsetzbaren Klangfarben sind die Strukturen der Musik wesentlich leichter zu erkennen, und das Zuhören insgesamt wird erleichtert.
Man konnte aber auch feststellen, dass Gerd Schaller ein gutes Gespür für die klangliche Auslegung hat, dass er alle Instrumente nicht gegen ihren Charakter eingesetzt hat, dass man durchaus das Gefühl bekommen konnte, das sei schon alles so gewesen. Natürlich ließ er zu Beginn nur die Streicher spielen, um sozusagen die Ausgangsbasis zu zeigen. Aber genau in dem Moment der melodischen Auffächerung treten die Bläser hinzu und runden das Bild. So gewinnt die Musik eine Emotionalität, die über die der Streicher weit hinausgeht. Das große Adagio bekam so eine vollkommen neue Tiefe, und sogar der Schlusssatz, mit dem Bruckner seine Schwierigkeiten hatte, gewann durch die klangliche Plausibilität und Raffinesse einen neuen Zusammenhalt. Zwei Jahre Arbeit haben sich gelohnt.
Aber - und das muss man leider auch sagen - es hätte noch viel schöner sein können: mit einem anderen Orchester. Es ist ja nicht so, dass die Musikerinnen und Musiker des Radiosinfonieorchesters Prag plötzlich das Spielen verlernt hätten. Aber gar so deutlich hätten sie nicht zeigen müssen, wie lästig ihnen die Einstudierung eines bisher unbekannten Werkes war. Da saßen einige im Orchester, die zeigten, dass sie eigentlich nichts mehr wollen, am wenigsten eine Auseinandersetzung mit Neuem - und das ist keine Frage des Alters. Wenn man bedenkt, wie viele Kompositionen etwa die Bamberger in jeder Spielzeit zum ersten Mal spielen und mit welchem Vergnügen und mit welcher Darstellungslust sie das tun - oder wenn man, um am Ort zu bleiben - an das nicht lange zurückliegende Konzert mit dem Orchester des Nationaltheaters Prag, ebenfalls unter Leitung von Gerd Schaller, zurückdenkt - oder, um in der Branche zu bleiben, an die Konzerte des Münchner Rundfunkorchesters - dann konnte man sich nur wundern.
Aber das zeichnete sich auch schon ab. Natürlich, wenn nur unterm Strich drei Probentage zur Verfügung stehen, konzentriert man sich am besten auf das Neue, greift ansonsten ins Repertoire. Das war auch hier der Fall. Und trotzdem: Bei Mozarts Don-Giovanni-Ouvertüre musste Gerd Schaller ziemlich viel Kraft aufwenden, um den Musikdampfer auf Touren zu bringen, und die tiefen Streicher hätten sich nicht so zurückhalten müssen, dass man sie eher spielen sah als hörte.
Und es ging weiter nach der Pause mit Beethovens 5. Sinfonie. Da konnte Gerd Schaller zwar noch ein paar kleine Duftmarken setzen, aber das Orchester machte nicht den Eindruck, als würde es sich sonderlich dafür interessieren. Da wurde die Hausfassung gespielt, und die wurde, wie so oft ohne Dirigent, ziemlich laut, weil sich jeder Gehör verschaffen will. Klar, Laut gab es schon zu Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft ohne Mengenbegrenzung. Aber ein bisschen differenzierter hätte man die Musik schon gerne gehört - und natürlich ganz besonders die berühmten böhmischen Holzbläser. Aber was durchkam, war zwar weitestgehend präzise, aber ziemlich unsensibel.
Schade! Aber so können wir uns wenigstens noch auf Bruckners Zweitaufführung freuen.
Natürlich war das ein Risiko, vor allem, wenn man wie Gerd Schaller nichts an dem Notentext wegnehmen oder hinzufügen will, sondern seriös bleiben will. Und das ist er geblieben. Natürlich ist ein kammermusikalisch ausgerichtetes Werk kleinteiliger, fast möchte man sagen zerrissener, als ein sinfonischer Satz, weil die Akteure in wesentlich engerem Kontakt zueinander sind und spontaner gestalten können. Aber andererseits hat es Schaller geschafft, diese Kleinteiligkeit mit einer phantasievollen Instrumentation so herauszustellen, dass ein Bild wie ein Puzzle entsteht: viele kleine Teile, die trotz aller Fugen ein abgerundetes Gesamtbild ergeben. Der Vorteil des Verfahrens: Durch die Vervielfachung der einsetzbaren Klangfarben sind die Strukturen der Musik wesentlich leichter zu erkennen, und das Zuhören insgesamt wird erleichtert.
Man konnte aber auch feststellen, dass Gerd Schaller ein gutes Gespür für die klangliche Auslegung hat, dass er alle Instrumente nicht gegen ihren Charakter eingesetzt hat, dass man durchaus das Gefühl bekommen konnte, das sei schon alles so gewesen. Natürlich ließ er zu Beginn nur die Streicher spielen, um sozusagen die Ausgangsbasis zu zeigen. Aber genau in dem Moment der melodischen Auffächerung treten die Bläser hinzu und runden das Bild. So gewinnt die Musik eine Emotionalität, die über die der Streicher weit hinausgeht. Das große Adagio bekam so eine vollkommen neue Tiefe, und sogar der Schlusssatz, mit dem Bruckner seine Schwierigkeiten hatte, gewann durch die klangliche Plausibilität und Raffinesse einen neuen Zusammenhalt. Zwei Jahre Arbeit haben sich gelohnt.
Aber - und das muss man leider auch sagen - es hätte noch viel schöner sein können: mit einem anderen Orchester. Es ist ja nicht so, dass die Musikerinnen und Musiker des Radiosinfonieorchesters Prag plötzlich das Spielen verlernt hätten. Aber gar so deutlich hätten sie nicht zeigen müssen, wie lästig ihnen die Einstudierung eines bisher unbekannten Werkes war. Da saßen einige im Orchester, die zeigten, dass sie eigentlich nichts mehr wollen, am wenigsten eine Auseinandersetzung mit Neuem - und das ist keine Frage des Alters. Wenn man bedenkt, wie viele Kompositionen etwa die Bamberger in jeder Spielzeit zum ersten Mal spielen und mit welchem Vergnügen und mit welcher Darstellungslust sie das tun - oder wenn man, um am Ort zu bleiben - an das nicht lange zurückliegende Konzert mit dem Orchester des Nationaltheaters Prag, ebenfalls unter Leitung von Gerd Schaller, zurückdenkt - oder, um in der Branche zu bleiben, an die Konzerte des Münchner Rundfunkorchesters - dann konnte man sich nur wundern.
Aber das zeichnete sich auch schon ab. Natürlich, wenn nur unterm Strich drei Probentage zur Verfügung stehen, konzentriert man sich am besten auf das Neue, greift ansonsten ins Repertoire. Das war auch hier der Fall. Und trotzdem: Bei Mozarts Don-Giovanni-Ouvertüre musste Gerd Schaller ziemlich viel Kraft aufwenden, um den Musikdampfer auf Touren zu bringen, und die tiefen Streicher hätten sich nicht so zurückhalten müssen, dass man sie eher spielen sah als hörte.
Und es ging weiter nach der Pause mit Beethovens 5. Sinfonie. Da konnte Gerd Schaller zwar noch ein paar kleine Duftmarken setzen, aber das Orchester machte nicht den Eindruck, als würde es sich sonderlich dafür interessieren. Da wurde die Hausfassung gespielt, und die wurde, wie so oft ohne Dirigent, ziemlich laut, weil sich jeder Gehör verschaffen will. Klar, Laut gab es schon zu Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft ohne Mengenbegrenzung. Aber ein bisschen differenzierter hätte man die Musik schon gerne gehört - und natürlich ganz besonders die berühmten böhmischen Holzbläser. Aber was durchkam, war zwar weitestgehend präzise, aber ziemlich unsensibel.
Schade! Aber so können wir uns wenigstens noch auf Bruckners Zweitaufführung freuen.