Neuer Ort, neuer Saal, neue Gäste. Neues Feeling? Ja!! Die Stadthalle Bad Neustadt in die Reihe der Spielstätten des Kissinger Sommer aufzunehmen, ist eine glänzende Idee. Das Bad im Nachbarlandkreis punktet mit der 2017 eingeweihten hochmodernen "Stadthalle", einer "Eventlocation", die dank formschöner, lichtdurchfluteter Architektur mit dem "German Design Award 2018" ausgezeichnet wurde. Der Klang wird hoch gelobt, hört man von den Veranstaltern. Gilt das auch für Klassik? Die Suite von Hernry Purcell, die auf dem Notenpult liegt ist noch nicht zu Ende gespielt, da ist diese Frage beantwortet, der Ton ist klar, das Klangbild ausgewogen. Präzision im Zusammenspiel ist hörbar, jedes Instrument zu erkennen, präzise zu verorten.


Sax meets Classic

Alliage (frz.: Legierung), das sind vier Saxophone und ein Klavier, diese außergewöhnliche Zusammensetzung steht dann auch für klangliche Verschmelzung. Sopran-, Alt-, Tenor-, und Baritonsaxophon von Daniel Gauthier, Miguel Vallés Mateu, Simon Hanrath und Sebastian Pottmeier verbinden sich mit dem Klavier von Jang Eun Bae zu einem einzigartigen Ensemble, das so harmonisch und facettenreich klingt wie ein kleines Orchester.
Im Bacchanal der Oper "Samson et Dalila" von Camille Saint-Saëns formuliert das volle Orchester klangmächtig die rauschhaft sinnliche Siegesfeier der Philister. Dass vier Saxophone und ein Klavier siegestrunkene Krieger mitreißend darstellen können, ist ein kleiner Geniestreiche von Sebastian Pottmeier, der die infernalische Musik für das Ensemble arrangiert hat. Riesenbeifall, und, getragen von einer Woge der Zustimmung, segelt Alliage dann bestens aufgelegt zu Ottorino Respighis "Antiche Danze ed Arie", in denen er Lautenmusik aus dem 16. Jahrhundert für großes Orchester geschrieben hat. Alliage schafft auch das perfekt. Noch ein Paar der Weltliteratur kündigt Ensemblegründer Daniel Gauthier an: Spartakus , Gladiator und Held des Sklavenaufstands, und seine Gegenspielerin Aegina hat der Georgier Aram Khachaturian mit vorwärtstreibender Musik vertont, die so gar nicht russisch schwer beginnt und dann doch das Blutvergießen bei der Massenhinrichtung der Sklaven ahnen lässt. Erste Bravos.


Wieviel Zähne hat ein Haifisch?

Die Fantasie über fünf Songs aus der "Dreigroschenoper" von Kurt Weill reißen die Zuhörer mit, weil jeder "Kanonensong", "Seeräuberjenny" und "Mackie Messer" kennt und weil zum hämmernden Klavier von Jang Eun Bae jedes Sax eigene Soli beisteuert. In aberwitzigem Tempo, mit rasiermesserscharfen Zähnen belauern sich die Instrumente, warten auf kleine Atempausen des Anderen, um dann virtuos durch die musikalische See zu preschen. Der Fuß kommt beim Wippen nicht mit, aber im Geist mitpfeifen funktioniert.
Und dann noch Leonard Bernsteins "West Side Story". Cooler Jazz der weißen Jungs und Mambo bei den Latinos. "Maria" wird zur wunderbar ausformulierten weichen Liebeserklärung von Miguel Vallés Mateus und Simon Hanraths Instrumenten und voller Körpereinsatz zum hektischen Rhythmus des brillanten Daniel Gauthier bei "America". Frenetischer Beifall . Schostakowitsch als Zugabe. Jubel, trampeln pfeifen.
Dass die international erfolgreiche Formation -gerade sind sie von einer erfolgreichen Australien Tournee mit Sabine Meyer zurück- überzeugt, war zu erwarten, dass die Rhöner zu solcher Begeisterung fähig sind, eher nicht. Nach dem "Säbeltanz" von Khachaturian steht der ganz Saal. Nicht schlecht für den Anfang: Astrid Weihmann aus Salz, langjährige Besucherin des Kissinger Sommers, beschreibt das so: "Wir fühlen uns geehrt, dass der Kissinger Sommer nach Bad Neustadt kommt".