Zeitung: An den Stolpersteinen wird häufig Kritik geübt, man "trete die Opfer mit den Füßen", verhöhne sie dadurch noch im Tod und wäre daher selbst nicht besser als die damaligen Täter, wie sehen Sie das?
Gunter Demnig Wir treten die Opfer nicht mit den Füßen. Das was die Nationalsozialisten damals gemacht haben - war mehr als nur ein "mit den Füßen treten" - das war Massenmord. Ich hatte ein Erlebnis mit einem Schüler der Bedenken hatte, man stolpere wirklich mit den Füßen. Ich habe ihm erklärt, dass es sich um ein Stolpern im Kopf und im Herzen handelt.

Hatten Sie bisher unangenehme Erfahrungen aufgrund Ihres Engagements?
Ich denke, wenn man in 20 Jahren drei Morddrohungen erhält ist das noch im Rahmen.

Sie haben bei ihrer kurzen Ansprache nach der Verlegung der ersten beiden Steine erwähnt, dass es für sie "noch immer keine Routine" sei. Tatsächlich ähneln sich alle Steine doch sehr von der Beschriftung - gerade was die Orte der Ermordung angeht?
Es ist jedes Mal etwas anders. Hier fand ich es besonders toll, dass Jugendliche die Erstverlegung vorangetrieben haben. Durch die Beschäftigung mit der Thematik vor der eigenen Haustür wird schnell klar, dass es sich bei den Opfern um Mitbürger - um Menschen die mitten unter uns gewohnt haben - gehandelt hat. Dadurch wird der Sachverhalt weniger abstrakt, als wenn man ein Buch aufschlägt und die Zahl sechs Millionen liest.

Sie haben beim Verlegen sehr versunken gewirkt, bekommen Sie bei der Arbeit noch etwas von der Außenwelt - wie beispielsweise heute die Verlesung der Biografien?
Zuhören und Arbeiten. Das geht. Ich bin multitaskingfähig.

Wie viele Tage im Jahr sind Sie auf Verlegungen von Stolpersteinen unterwegs?
Letztes Jahr war ich ca. 270 Tage unterwegs. Manchmal hatte ich drei Orte an einem Tag.

Lässt sich ein Trend feststellen?
Definitiv. Es werden immer mehr Anfragen gestellt. Aktuell habe ich rund 66000 Steine in 21 Ländern verlegt. In diesem Jahr werden auch erstmals in Dänemark und Finnland Stolpersteine verlegt werden.

Wann haben Sie die nächste Verlegung?
Am Montag in Hamburg, allerdings ist das Wetter nicht so gut gemeldet wie heute.