Fünf Shirts bestellen, drei zurückschicken: Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist das längst Routine. Das lässt das Retourenaufkommen wachsen. Was steckt hinter dem Phänomen - und warum ist es so schwer, dagegen anzugehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie viele Bestellungen werden zurückgeschickt?

Die Zahl der Retourenpakete in Deutschland steigt in diesem Jahr voraussichtlich auf etwa 550 Millionen, schätzt Björn Asdecker von der Universität Bamberg. «Das ist ein Rekord», sagt er. Fast jedes vierte im Internet bestellte Paket werde komplett oder mit einem Teil der Ware an die Händler zurückgeschickt. Im Vorjahr wurden rund 530 Millionen retournierte Sendungen ermittelt. Asdecker forscht seit Jahren zum Thema. Der Grund für den Anstieg: Der Onlinehandel zieht wieder an – und mit ihm die Zahl der Rücksendungen. 

Eine neue Studie des Handelsforschungsinstituts EHI zeigt: Die Retourenquote ist unverändert hoch. Laut einer Umfrage verzeichnen 60 Prozent der befragten Händler einen Anteil von bis zu 10 Prozent, ein Viertel über 20 Prozent. Die Befragung mit 124 großen Händlern ist nicht repräsentativ. Etwa 70 Prozent berichten von stabilen Retourenquoten, 14 Prozent sehen einen Rückgang, 15 Prozent einen Anstieg. Offizielle Statistiken zu Retouren gibt es nicht. Auch Zusteller wie DHL äußern sich nicht.

Was wird oft zurückgeschickt?

Spitzenreiter bleibt die Mode. Etwa 90 Prozent der zurückgeschickten Artikel stammen aus diesem Bereich. Laut EHI erhält jeder achte Modehändler mehr als die Hälfte der Bestellungen zurück, ein weiteres Viertel 36 bis 50 Prozent. «Über alle unsere Märkte hinweg werden im Durchschnitt 50 Prozent der bestellten Artikel zurückgeschickt», sagt eine Sprecherin des Modehändlers Zalando. Elektronik-, Gesundheits- und Wohnartikel werden deutlich seltener retourniert. 

Kunden schicken bestellte Ware zurück, weil sie ihre Meinung geändert haben, Artikel ihnen nicht gefallen oder defekt sind. Kleidung wird häufig sicherheitshalber in mehreren Größen bestellt - weil erst nach der Lieferung geprüft werden kann, welche Teile passen. 

Experten beobachten noch etwas: Manche Kunden kaufen Modeartikel für einen Anlass wie eine Feier oder ein Date und retournieren sie anschließend. Laut einer YouGov-Umfrage haben 18 Prozent der Menschen hierzulande das schon einmal oder mehrfach gemacht, Männer häufiger als Frauen. Besonders verbreitet ist das bei 15- bis 34-Jährigen (30 Prozent). 

Warum gibt es so viele Retouren?

In Deutschland gebe es sehr verbraucherfreundliche Regelungen, sagt EHI-Studienautor Niklas Stanislawski. Produkte können innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen zurückgeschickt werden. Händler zeigen sich oft kulant. Laut EHI-Umfrage übernimmt etwa jeder Zweite die Rücksendekosten (49 Prozent), jeder Dritte teilweise (33 Prozent). Viele sagen, dass kostenlose Retouren erwartet werden und zur Kundenbindung beitragen.

In Deutschland schicken Käufer häufiger Artikel zurück als in anderen europäischen Ländern, sagt Retourenforscher Asdecker. Er führt dies auf längere Rückgabefristen und eine größere Zahl an Rechnungskäufen zurück. Dazu seien Retouren bei großen Onlinehändlern in der Regel kostenlos. Laut einer Bitkom-Umfrage legen 94 Prozent der Onlineshopper Wert auf Gratis-Rückversand und schnelle Erstattung.

Der E-Commerce-Verband Bevh beobachtet, dass Kunden zunehmend nicht nur einzelne Artikel zurückschicken wollen, sondern ganze Bestellungen. «Je größer die wirtschaftlichen Ängste der Haushalte sind, desto eher werden Einkäufe grundsätzlich überdacht und später zurückgegeben», sagt Bevh-Sprecher Frank Düssler. Der Verband befragt wöchentlich Verbraucher zu ihrem Einkaufsverhalten.

Welche Folgen haben Retouren?

Rücksendungen sind teuer für die Händler. Transport, Prüfung und Wiederaufbereitung verursachen laut EHI die höchsten Kosten, hinzu kommen Wertverlust und Serviceaufwand. Die Bearbeitungskosten liegen meist zwischen 1 und 15 Euro pro Artikel. Die Spannbreite ist groß, denn die Rücksendung eines Schranks ist deutlich aufwendiger als die einer Sporthose. 

Was mit den Produkten passiert: Knapp 60 Prozent der Händler setzen auf Zweitvermarktung als B-Ware oder verkaufen an Restposten-Händler. 47 Prozent entsorgen oder recyceln Ware, 29 Prozent spenden sie, 28 Prozent verkaufen über Outlets, 26 Prozent schicken sie an Lieferanten zurück.

Retouren schaden auch Klima und Umwelt. Zusätzliche Transportwege, neue Verpackungen und Aufbereitung steigern den Energiebedarf und damit die CO2-Emissionen. Trotz häufig kostenloser Rücksendungen wirken Retouren sich zulasten aller Kunden aus, denn viele Händler legen die Kosten auf ihre Preise um.

Was kann man tun, um Retouren zu senken?

Die Händler setzen laut EHI-Umfrage vor allem auf detaillierte Produktinformationen und -beschreibungen im Onlineshop, hochwertige Produktbilder und -videos sowie Qualitätssicherung vor Versand. Viele überprüfen auffällige Rückläufer gezielt. Onlinehändler Amazon gibt Kunden Größenempfehlungen und markiert oft zurückgeschickte Artikel. Für manche Warengruppen wurden die Rückgabefristen verkürzt. Zalando verwarnt Kunden mit «unverhältnismäßig hoher» Retourenquote. Im Extremfall droht eine Sperre von bis zu zwölf Monaten. 

Für Markus Szajna reicht das nicht. «Die Einführung einer Rücksendegebühr von 1,99 Euro dürfte die Retourenbereitschaft deutlich senken», sagt der Handelsprofessor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. Er schätzt, die Gebühr könnte die Retourenzahl um bis zu ein Fünftel senken.

Laut YouGov-Umfrage würde ein Viertel der Verbraucher etwas oder deutlich weniger zurückschicken, wenn es eine Gebühr von 1,99 Euro gäbe. 43 Prozent würden ihr Verhalten nicht ändern. Alle übrigen bestellen online nichts, schicken nichts zurück oder machen keine Angabe. 

Wie geht's weiter?

Der Bundesverband Paket und Expresslogistik erwartet, dass in Deutschland in diesem Jahr rund 4,37 Milliarden Sendungen befördert werden – etwa zwei Prozent mehr als 2024. Laut einer Prognose könnte die Zahl bis 2030 auf knapp 5,2 Milliarden steigen. Experten rechnen daher mit einer Zunahme der Retouren.