Die geplante Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist umstritten. Die Idee dahinter ist, zu Pflegende und ihre Angehörigen zu entlasten, da gute Pflege immer mehr kostet. Dafür sollen ab 1. Juli 2023 alle einen höheren Pflegebeitrag zahlen - doch der steigt nicht für jeden gleichermaßen.
Lauterbach hat in seinem Entwurf für die Reform kurzerhand die Entlastung von Rentner*innen gestrichen. Bislang galt: Wer Kinder hat, zahlt einen Beitrag von 3,05 Prozent an die Pflegeversicherung. Die Pflegereform will den Beitrag aber nach der Anzahl der Kinder staffeln. Dies geht auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zurück. Demnach müssen Eltern mit mehreren Kindern bessergestellt werden als kleine Familien und Kinderlose.
Lauterbach streicht wichtige Entlastung für Rentner: So hoch ist der Pflegebeitrag künftig
Um den jeweiligen Beitragssatz für Rentner*innen zu ermitteln, hätten die Versicherungsträger zunächst die Anzahl der Kinder erfragen müssen - ein großer Aufwand, der nun wohl größtenteils entfällt. Denn kurzfristig wurde der Gesetzentwurf nochmals geändert. Jetzt sollen nur noch Eltern mit Kindern unter 25 Jahren einen geringeren Pflegebeitrag zahlen. Da die meisten Rentner*innen bereits erwachsene Kinder haben, erhalten sie also keine Ermäßigung mehr.
Andreas Storm, Chef der Versicherung DAK, nennt den neuen Entwurf Lauterbachs "Flickschusterei". "Jetzt droht in der Sozialen Pflegeversicherung eine Art Drei-Klassen-System", sagt er im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung. Rund zehn Millionen Rentner*innen wären von der Änderung betroffen. Besonders schwerwiegend ist, dass sie den Pflegebeitrag in voller Höhe zahlen müssen. Bei Arbeitnehmenden übernimmt der Arbeitgeber einen Teil des Beitrags.
Auch kinderlose Menschen würden unverhältnismäßig hohe Zahlungen leisten müssen. Dazu komme, dass Eltern mit mehreren Kindern ausschließlich in der Erziehungsphase entlastet werden, findet Storm. "Eltern in der Kindererziehungsphase zu entlasten, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Diese solle mit Steuergeldern finanziert werden und nicht ausschließlich durch Kinderlose.
Pflegebeitrag für gesetzlich Versicherte: Das ändert sich ab 1. Juli
Aktuell liegt der Pflegebeitrag noch bei 3,05 Prozent des Bruttogehalts von gesetzlich Versicherten, die Hälfte (1,525 Prozent) davon übernimmt der Arbeitgeber. Bei Kinderlosen liegt der Beitrag bei 3,4 Prozent.
Die geplanten Änderungen beim Pflegebeitrag im Überblick:
- Ab 1. Juli steigt der Beitragssatz um 0,35 Prozentpunkte - jedoch gestaffelt nach Anzahl der Kinder unter 25 Jahren
- Menschen mit drei oder mehr Kindern zahlen einen Pflegebeitrag von 3,1 Prozent (Versicherte: 1,4 Prozent, Arbeitgeber: 1,7 Prozent)
- Menschen mit zwei Kindern zahlen 3,25 Prozent (Versicherte: 1,55 Prozent, Arbeitgeber: 1,7 Prozent)
- Menschen mit einem Kind zahlen 3,4 Prozent (Versicherte: 1,7 Prozent, Arbeitgeber: 1,7 Prozent)
- Menschen mit Kindern über 25 Jahren, z.B. Rentner*innen, zahlen ebenfalls 3,4 Prozent
- Zuschlag für Kinderlose erhöht sich um zusätzliche 0,25 Prozentpunkte, insgesamt liegt er damit bei 0,6 Prozent
- Menschen ohne Kinder zahlen 4 Prozent ihres Bruttolohns (Versicherte: 2,3 Prozent, Arbeitgeber: 1,7 Prozent)
Letztendlich liegt der Pflegebeitrag nach der Erhöhung für Menschen mit erwachsenen Kindern oder nur einem Kind so hoch, wie vorher für Kinderlose. Der Arbeitgeber übernimmt weiterhin höchstens 1,7 Prozent des Beitrags. Rentner*innen müssen den vollen Beitrag aus eigener Tasche zahlen. Bei 1000 Euro Rente im Monat wären das 34 Euro statt bisher 30,50 Euro. Bei 2000 Euro Rente im Monat liegt der Beitrag bei 68 Euro statt 61 Euro. Rentner*innen ohne Kinder müssen bei einer Brutto-Rente von 1000 Euro einen Pflegebeitrag von 40 Euro zahlen. Bei 2000 Euro Rente wären es sogar 80 Euro.
Die Entlastungen für Pflegebedürftige sollen den Reformplänen zufolge zum 1. Januar 2024 beginnen. So soll das Pflegegeld für Pflegebedürftige zu Hause um fünf Prozent steigen, ebenso wie die Zuschläge für Pflegebedürftige im Heim.
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