Der Schock sitzt tief: Russland - oder sollte man besser sagen, Wladimir Putin - hat der Ukraine den Krieg erklärt und ist über mehrere Fronten in das 44-Millionen Einwohner Land einmarschiert. Es herrscht wieder Krieg in Europa. Ein Land hat einen anderen, souveränen Staat überfallen - nicht einmal 1000 Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Und die Eskalationsspirale dreht sich immer weiter: Nach Putins Ankündigung, die russischen Atomwaffen in Alarmbereitschaft zu versetzen, hat man hierzulande sogar wieder Angst vorm atomaren Armageddon. Über Nacht fühlt man sich in die dunkelsten Phasen des Kalten Krieges erinnert.
Und passend dazu wird in Europa und insbesondere in Deutschland über massive Aufrüstung gesprochen. 100 Milliarden Euro Sondervermögen soll dieses Jahr für die Bundeswehr bereitgestellt werden, sagte Kanzler Scholz am Sonntag in einer historischen Rede im Bundestag. Noch dazu soll ab jetzt pro Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ins Militär fließen. Denn, so hörte man in den vergangenen Tagen aus vielen Mündern: Die Bundeswehr sei in desolatem Zustand, ja, sie sei sogar "blank".
Fast 1 Billion Euro seit dem Jahr 2000 - für nichts?
Nun will ich keineswegs behaupten, wir müssten uns angesichts des geradezu wahnsinnigen Verhaltens der russischen Führung um Putin nicht besser auf einen Angriff vorbereiten und sollten den Konflikt auf die leichte Schulter nehmen. Aber eine Frage hätte ich dann doch: Was genau ist eigentlich mit den Abermilliarden Euro passiert, die in den letzten Jahrzehnten in die Bundeswehr geflossen sind?
Laut dem Bundesministerium für Verteidigung waren in diesem Jahr 50,1 Milliarden Euro im Haushalt für die Verteidigung vorgesehen. Das ist mehr als für Bildung und Forschung (19,36 Milliarden Euro), Verkehr (33,69 Milliarden Euro) oder Gesundheit (16,3 Milliarden Euro, alle Daten: statista.com). Der Verteidigungsetat war nach dem für Soziales und Arbeit der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt. Und dies gilt nicht nur für dieses Jahr: Zwar stiegen die Ausgaben in den letzten Jahren immer weiter, aber auch schon 2008 lag der Verteidigungsetat schon bei über 45 Milliarden Euro. Da kommt man seit der Jahrtausendwende auf einen Betrag, der an der 1-Billion-Euro-Marke kratzt.
Nun gut, mögen einige sagen, aber andere Länder geben doch noch deutlich mehr Geld aus, oder? Ja, aber nur wenige. Deutschland liegt in den letzten Jahren immer zwischen Platz 5 und 10 der höchsten Militärausgaben weltweit. Laut SIPRI, dem "Stockholm International Peace Research Institute" lagen Deutschlands Militärausgaben 2020 bei 52,767 Milliarden US-Dollar. Weltweit hatte Deutschland 2020 damit die siebthöchsten Ausgaben für Militär. Immerhin knapp mehr als Frankreich - und "nur" knapp 9 Milliarden Dollar weniger, als Russland für sein Militär ausgab.
Und jetzt heißt es, es fehle teilweise sogar an passender Kleidung für die Soldat*innen? Was genau wurde denn von den Abermilliarden Euro der letzten Jahre gekauft? Und noch bedenklicher: Was genau soll sich jetzt ändern, wenn man einfach noch mehr Geld ausgibt? Wenn man jetzt also - und das ist angesichts der beispiellosen Aggression Russland absolut notwendig - in Deutschland über eine Wende der Sicherheitspolitik spricht, dann sollte es nicht in erster Linie um mehr Geld für die Bundeswehr gehen. In ein Fass ohne Boden kann man jedenfalls lange Geld schütten - es wird nicht voller.